Vegan - voll im Trend

Ich schlendere durch den Supermarkt und mich überrascht ein riesiges Kühlregal, gefüllt mit vegetarischen und veganen Fleischersatzprodukten, Veggie-Wurst, veganem Käse und allem, was das Veganer-Herz begehrt. Ich sitze am Tisch einer gemütlichen Skihütte und entdecke in der Speisekarte ein kleines "V" neben einigen Speisen. Ich stehe im ersten komplett veganen Supermarkt meiner Stadt und das Angebot überfordert mich.
 
                                         Im Reformhaus ins Donnerstag "Veggie-Tag"

Vielleicht ist es nur ein Gefühl, ein subjektiver Eindruck, aber doch scheint alles darauf hin zu deuten, dass vegan gerade voll im Trend ist. Dass die Zahl der Vegetarier und Veganer in Deutschland steigt, dass man sich darauf einstellt und vielleicht eine lukrative Einnahmequelle in der tierleidsfreien Ernährung entdeckt.
Seit 7 Jahren lebe ich nun vegetarisch und merke, wie sich der Markt verändert. Hatte ich früher noch Probleme, in einem Restaurant etwas zu Essen zu finden - die vegetarische Auswahl war meist sehr begrenzt - bieten einige Restaurants heute sogar "Veggie Tage" an. Musste ich früher extra ins Reformhaus, um an Wurstersatz zu kommen, finde ich diesen heute schon im gut eingerichteten Supermarkt.Selbst McDonalds - die Personifikation des billigen Fleisches - bietet mittlerweile zwei vegetarische Burger an.
Alles spricht dafür, dass die Menschen allmählich ein Bewusstsein entwickeln. Es ist plötzlich nicht mehr egal, woher das Fleisch kommt. Die Nachfrage nach Bio-Fleisch steigt.

Doch wie kam es eigentlich zu diesem Trend?


Fleischkonsum früher – Fleischkonsum heute

Früher – das höre ich regelmäßig von Oma und co. - gab es Fleisch nur einmal die Woche. Der Sonntagsbraten war dann etwas ganz besonderes. Kein Wunder, denn im Nachkriegsdeutschland konnte man sich einen täglichen Fleischkonsum wohl kaum finanzieren. So kommt es, dass der durchschnittliche Fleischverzehr eines Deutschen in den 50ern noch bei unter 30kg lag, während
der heutige Durchschnittsbürger um die 60kg pro Jahr verdrückt.
Durch das Aufkommen der Massentierhaltung wurde Fleisch immer günstiger. Heute kann sich jeder leisten, Fleisch täglich zu konsumieren, es ist vom Sonntagsbraten zum Alltagsprodukt geworden. Aldi und co. machen's möglich: Steaks, Hühnerbeine, Wurst, etc. zum Spottpreis.
Während früher der Fleischkonsum mit dem Einkommen stieg, essen reichere Menschen heute tendenziell eher weniger Fleisch als Personen mit geringerem Einkommen.

Aber gehen wir doch noch etwas weiter zurück.
Viele Omnivore argumentieren gerne mit der Biologie: Mit der Nahrungskette, „Fressen und gefressen werden“, etc. Schaut man sich den frühen Fleischkonsum der Menschheit an, mag das auch alles stimmen. Man ging noch auf die Jagd, musste das Tier nicht nur töten, sondern häuten, ausnehmen, etc. Zu dieser Zeit bestand die Ernährung zu einem großen Teil aus Fleisch und tierischen Nahrungsmitteln, was auch bei den meisten heute noch existierenden Jäger-und-Sammler-Völker der Fall ist. Der Fleischkonsum wurde erst später durch das Aufkommen der Landwirtschaft, die Sesshaftigkeit und den Anstieg der Bevölkerungszahl minimiert.
Der eigentliche Punkt ist: Früher musste man ein Tier erst mal jagen, erlegen und zubereiten, während man heute einfach in den Supermarkt auf die Kühltheke zusteuert, sich ein Stück abgepacktes Fleisch schnappt und es zuhause in die Pfanne wirft.
Das Fleisch wird völlig von seiner Herkunft, vom Tier, entkoppelt. Es wird hübsch aufbereitet, es soll nichts mehr daran erinnern, dass das schön angerichtete Steak auf dem Teller ursprünglich mal der Bauch eines Schweins war. Die wenigsten Menschen denken an eine Kuh, wenn sie in ihrem Burger beißen. Und mal ehrlich, die meisten wollen das auch gar nicht. Nein, man isst ein leckeres Schnitzel und kein Stück süßes Schweinchen.

Insgesamt denke ich, dass die heutige Fleischherstellung, die Tiere auf ihren Nutzen reduziert und alles daran legt, sie so effizient und günstig wie möglich in gewinnbringendes Fleisch zu verarbeiten, für viele Menschen der Grund für die Ernährungsumstellung ist.
Fleischkonsum ist für den Menschen sicherlich natürlich. Er hat eine lange Tradition. Aber das, was heutzutage gemacht wird, hat absolut nichts mit Natur und Natürlichkeit zu tun. Während wir abgeschirmt in unseren großen Bauten sitzen, Raubtiere – zumindest im Alltag – also keineswegs fürchten müssen, nehmen wir uns das Recht, unsere „Nutztiere“ körperlich zu manipulieren und auszubeuten.Aber die Massentierhaltung ist nicht der einzige Grund für ein Umdenken.

                          Fleisch und Milch von glücklichen Kühen? Leider meistens eine Illusion....

 

Auswirkungen des Fleischkonsums

Global gesehen stieg der Fleischkonsum zwischen 1961 und 2009 von 23 auf 42 kg pro Kopf und Jahr. Bis 2050 soll er sich nochmals verdoppelt haben. Und auch die Nachfrage nach Milch steigt.
Dieser übermäßige Verbrauch hat verheerende Folgen auf den Welthunger und unsere Umwelt.
Der Welternährungsorganisation FAO zufolge leiden zurzeit um die 870 Millionen Menschen an Unterernährung und Hunger. Und die Situation wird zunehmend kritischer werden: Die Menschheit soll bis zum Jahre 2050 auf über 9 Milliarden steigen.
Der hohe Fleischkonsum der Industrieländer hat einen maßgeblichen Einfluss auf die Welthunger-Problematik. Um eine tierische Kalorie herzustellen werden, abhängig von der Tierart, fünf bis dreißig pflanzliche Kalorie an das Nutztier verfüttert.
Unsere Nutztiere werden vorwiegend mit Soja, Mais, Getreide etc. gefüttert: Nahrungsmittel, die auch für die menschliche Ernährung geeignet sind. Somit werden Unmengen an Lebensmitteln verschwendet, da das Tier sehr viel mehr Nahrung aufnehmen muss, um zu wachsen und seinen Stoffwechsel aufrecht zu erhalten, als uns am Ende durch Fleisch und weitere Produkte wie Milch etc. zum Verzehr zu Verfügung steht.
Das Getreide, das zur Ernährung der Tiere eingesetzt wird, wird größtenteils aus Südamerika importiert. Dort wird Regenwald abgeholzt, damit mehr Platz für Getreidefelder ist.
Menschen in Schwellen- und Entwicklungsländern leiden Hunger, während auf ihren Feldern großflächig Getreide etc. angebaut wird, welches dann für die Fleischproduktion exportiert wird. Finanziell gesehen lohnt sich der Anbau von Nahrungsmitteln für die Bevölkerung vor Ort nicht.

Der Fleischkonsum hat zudem einen großen Einfluss auf die steigenden Preise für Agrarprodukte. Mit steigender Nachfrage nach Fleisch, steigt auch die Nachfrage nach Futtermitteln. Das führt dazu, dass die Preise für Grundnahrungsmittel wie Getreide, Mais, Soja etc. weltweit steigen.

Laut Jean Mayer, Ernährungswissenschaftler an der Harvard Universität, könnten durch eine Minimierung der Fleischherstellung um 10% bereits 60 Millionen Menschen durch die eingesparten Nahrungsmittel ernährt werden.

Auch die Auswirkungen auf die Umwelt sind fatal. Die FAO stellte 2006 in einer Studie fest, dass die Herstellung von tierischen Lebensmitteln, also Fleisch, Eier und Milchprodukten, 18 Prozent aller Treibhausgase verursacht. Im Vergleich dazu hat der Verkehrssektor nur einen Anteil von 13,5% an den weltweiten Treibhausgasemissionen.
Die durch die industrielle Fleischproduktion erzeugten Emissionen sind im Wesentlichen Methan, Lachgas und Kohlenstoffdioxid.
Bei der Herstellung von einem Kilogramm Rindfleisch entstehen fast 21kg Kohlenstoffdioxid. Die Produktion von einem Kilo Kartoffeln belastet die Umwelt dagegen lediglich mit 0,62kg.
Zudem benötigt die Fleischindustrie unwahrscheinlich viel Wasser. Einer Studie der UNESCO zufolge werden bei die Produktion von einem Kilogramm Fleisch um die 15.000 Liter Wasser verbraucht. Gleichzeitig steigt die weltweite Wasserknappheit.
Hinzu kommen natürlich weitere Probleme für die Umwelt: Der Einsatz von Monokulturen, die Rodung von Wäldern für Anbauflächen, das Artensterben bis hin zur Ausrottung bestimmter Tierarten, etc.

Zudem herrscht derzeit eine große Verunsicherung, verursacht durch zahlreiche Lebensmittelskandale: Dioxin in Eiern, Antibiotika im Fleisch, usw., was ebenfalls für viele Menschen der Anlass für ein Umdenken ist.

Insgesamt gibt es also viele Gründe, Lebensmittel tierischen Ursprunges zu meiden oder zumindest zu vermindern. Die Motivation der Menschen ist oft unterschiedlich, der Gewinn bleibt jedoch der Gleiche: Entlastung der Umwelt, Kampf gegen den weltweiten Hunger, Vermeidung des Tierleides und – bei richtiger Ernährung – Vorteile für die persönliche Gesundheit.


Der Trend und seine Folgen

Und so verbreitet sich ein Trend, der nicht zuletzt sicherlich auch von den neuen Medien unterstützt wird. Das Internet ermöglicht uns, unkompliziert an Information zu kommen: Tierrechts- und Umweltorganisationen, aber auch unabhängige Online-Zeitungen berichten über die Folgen des steigenden Fleischkonsums. Vegetarier, Veganer, wie auch „Flexitarier“ tauschen sich in Foren aus: Austausch, Diskussion, Ideen, Tipps. Blogger machen es vor: So ausgewogen und lecker kann vegan sein.
Auch Fernsehen, Radio, sowie Zeitungen und Zeitschriften berichten über die Problematik des Fleischkonsums und Vegetarismus/Veganismus. Frauenzeitschriften drucken vegane Rezepte und persönliche Erfahrungsberichte. Organisationen organisieren „Veggie-Messen“ und „Vegan-Street-Days“ in großen Städten. Restaurants weisen Gerichte als „vegetarisch“ und „vegan“ aus.
Vegane Restaurants und Supermärkte eröffnen. Die Grünen fordern einen „Veggie-Tag“ und lösen damit bundesweite Diskussionen aus.

                                        Chimicurri, veganes Restaurant in Frankfurt

Dabei scheint dieses Konzept in anderen Städten gut zu funktionieren. In der belgischen Stadt Gent gilt der Donnerstag offiziell als „Veggie-Tag“. Ähnliche Initiativen finden sich auch in anderen großen Städten, wie in Baltimore in den USA, in São Paulo in Brasilien und sogar in Deutschland, beispielsweise in Hamburg.

Als Veganer und Vegetarier profitiert man natürlich von diesem Trend. War es vor einigen Jahren noch schwierig, in einem normalen Restaurant etwas Leckeres zu finden – außer Beilagensalat und Spaghetti Napoli - , bieten heute viele Restaurants vegetarische und vegane Alternativen an.
In einigen Cafés bekommt man auf Nachfrage den Milchkaffee mit Sojamilch statt Kuhmilch.
Auch wenn die vegane Ernährung immer noch schwierig ist, wenn man nicht gerade jegliches Essen selbst zubereitet, auch wenn auswärts essen in der alteingesessen Dorfkneipe als Veganer immer noch nahezu unmöglich ist, sind Erfolge zu sehen. Es verändert sich etwas.
Das Bewusstsein für die Problematik nimmt zu. Veganismus wird heutzutage nicht mehr umgehend als „Totaler Quatsch“ abgetan. Die Menschen beginnen sich für die alternativen Ernährungsweisen zu interessieren und ihr Ernährungsverhalten zu hinterfragen.

                                                     Vegan essen in Auerbachs Keller, Leipzig


Vegetarismus und insbesondere Veganismus sind voll im Trend.
Natürlich werden auch kritische Stimmen laut. „Die machen das doch nur, weils gerade angesagt und hip ist.“
Nun, mag sein, dass einige auf den Zug aufspringen, um sich den Stempel „vegan“ aufdrücken lassen zu können, um besonders modern, umweltbewusst und anders zu sein.
Aber ist das wirklich so schlecht? Sicher, eine derartige Umstellung nur aus Coolness-Gründen durchzuhalten, wird schwer. Aber gleichzeitig gibt es bestimmt genug, die aus Trendgründen vegan werden und sich nach und nach informieren und mit Veganismus identifizieren. Die dabei bleiben, weil sie immer Laufe ihres veganen Daseins immer überzeugter von der Lebensweise werden.

Nicht alles, was Trend ist, ist schlecht. Der vegane Trend mag Mitläufer anziehen, die vielleicht im nächsten Jahr wieder abspringen. Dennoch dient er doch einem guten Zweck. Er schafft Bewusstsein und er schafft Alternativen, Möglichkeiten die tierischen Produkte einfach mal wegzulassen, auch im Restaurant, im Café und ohne großartige Nachteile.


Für den Inhalt dieses Beitrags ist Alena Weil verantwortlich und besitzt die Rechte daran.



Quellen:

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1 Kommentare

  1. Absolut wahr! Ich muss zugeben durch Vegan for Fit bin ich erst so richtig darauf aufmerksam geworden und seitdem essen wir zu Hause auch viel weniger Fleisch! Seit der Sendung mit Jencke von Wilmsdorff ist unser Konsum wirklich auf das Minmalste reduziert!
    Danke für den Tipp in FFM, das werde ich mal testen :)
    LG Jenny

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