Fasten: Der Mythos von Entschlackung und Entgiftung

Aschermittwoch - die Fastenzeit beginnt. Obwohl viele Menschen heutzutage mit der Religion nicht mehr so viel anzufangen wissen und nicht besonders bibel- und kirchentreu leben, nehmen sich doch nicht wenige vor, in dieser Zeit auf etwas zu verzichten, sei es Fleisch, Alkohol, Süßkram oder ein anderes persönliches Laster. Sicherlich denkt ihr jetzt auch an den ein oder anderen aus eurem Bekanntenkreis...oder fastet ihr womöglich sogar selber?
Neben einem solchen Verzicht gibt es natürlich auch noch ein anderes, ein radikaleres Fasten: "Entgiften", "Entschlacken", "Heilfasten" - diese Begriffe sind schon seit längerer Zeit populär, insbesondere in alternativmedizinischen Ratgebern, in Frauenzeitschriften und Reformhausblättchen.


Ehrlich gesagt - ich dachte der Mythos von den ominösen "Schlacken" in unserem Körper sei längst vom Tisch - zumindest in einigermaßen gebildeten, vernunftorientierten Kreisen. Umso mehr wunderte ich mich, heute morgen im Radio zu hören, wie gesund Fasten für unseren Körper sei, da dann ja endlich mal die "Schlacke" herausgespült würden und der Körper sich erholen könne.
Seriously? Und ich wage mal zu behaupten, dass dieser Radiosender eigentlich recht seriös ist.
Anscheinend sind auch normale, gebildete Menschen, die nicht gerade für besonders abstruse Gedanken bekannt sind, vor den oft logisch daherkommenden Weisheiten der Pseudowissenschaft nicht sicher.
Das zeigt sich auch an anderer Stelle. Ich bin immer wieder überrascht, wie viele Menschen der Homöopathie positiv gegenüberstehen, sie als "natürliche" medizinische Alternative wahrnehmen und mit Naturheilkunde vermischen (Nein, das ist nicht das Gleiche!) anstatt sich mal damit auseinanderzusetzen, welche Thesen, welche Grundgedanken hinter diesen Methoden steht. Manchmal überkommen mich Zweifel an der Menschheit, wenn mal wieder jemand in einem Forum "zentrum der gesundheit" als Quelle angibt oder ich von wütenden Impfgegnern in den USA hören.

Aber das soll heute nicht das Thema sein. In diesem Beitrag soll es um das Fasten und den Mythos "Entschlackung"gehen.

Warum eigentlich Fasten?
Fasten beschreibt den völligen oder teilweisen Verzicht auf Nahrungs- und Genussmittel für eine bestimmte Zeitspanne. Wird nur ein bestimmter Teil der Nahrung, zum Beispiel Alkohol oder Schokolade, weggelassen, spricht man von Abstinenz.
Das Fasten bzw. die Fastenzeit existiert in vielen Religionen. In der Neuzeit findet man zudem das "therapeutische Fasten", zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen oder in der Trauerarbeit. Zudem kann der Verzicht auf Nahrung auch eine Form des (politischen) Protests sein, so beispielsweise der Hungerstreik, der nicht nur von öffentlichen Personen gerne genutzt wird, sondern auch unter Teenies ein beliebtes Mittel ist, ihre Eltern zu erpressen und ihren Willen durchzusetzen ;-)
Religiöse Motive für das Fasten sind unter anderem die Reinigung des Geistes, Buße, Abwehr des Bösen sowie Streben nach Konzentration und Erleuchtung oder Erlösung.

Über das religiös motivierte Fasten könnte man sicher noch seitenlang schreiben, aber hier soll das sogenannte Heilfasten im Mittelpunkt stehen. Dies soll vordergründig der Gesundheit und dem Wohlbefinden dienen, indem der Körper "entschlackt" werde und sich erholen könne.
Es gibt verschiedene Arten des Heilfastens. Beispielsweise das "Buchinger-Heilfasten"(nach dem Arzt Otto Buchinger, 1878-1966): Über Gemüsebrühe und Säfte wird eine geringe Menge an Energie zugeführt. Zudem werden Einläufe zur Darmreinigung vorgenommen.
Bei der "Schrothkur" gibt es abwechselnd flüssigkeitsreiche Trinktage und Trockentage, an denen zum Beispiel trockene Brötchen und Haferflocken verzehrt werden.
Weiterhin existierten noch "Saft-Fastenkuren"(nur Obst- und Gemüsesäfte), Suppen-Fastenkuren(selbsterklärend) und endlos viele weitere Möglichkeiten zum "Heilfasten".

 Nur noch Brühe und Tee?

Was passiert dabei im Körper?
Er schaltet nach den ersten Tagen ohne Nahrung auf den Hungerstoffwechsel um, bei dem möglichst wenig Energie verbraucht wird. Der Körper wird entwässert und der Blutdruck sinkt.
Nach einigen Tagen werden die Fett- und Energiedepots aufgelöst. Dabei entstehen Ketokörper, zum Beispiel Aceton, die zu Mund- und Körpergeruch führen.
Das Fasten wirkt sich auch auf die Stimmung aus: Der Körper schüttet Endorphine aus, man fühlt sich gut und besonders aufmerksam, negative Gedanken werden weggedrängt.
Natürlich verliert man beim Fasten auch Gewicht - dies ist aber nach dem Ende der Fastenzeit meist schnell wieder drauf, weshalb sich Fasten als Mittel zur dauerhaften Gewichtsreduktion definitiv nicht eignet.

Und was sind jetzt eigentlich Schlacke?
Laut Duden handelt es sich hierbei um Rückstände bei der Verbrennung von Steinkohle und Koks, beim "Verhütten von Erz zurückbleibende Substanz", einen "unregelmäßig geformten Brocken Lava" oder "Ballaststoffe/nicht verwertbare Substanzen".
Das "Zentrum der Gesundheit" sagt dazu, es handele sich um "im Organismus abgelagerte Säuren und Gifte".*
De facto gibt es keinen wissenschaftlichen Nachweis, dass wir in unserem Körper "Schlacke" haben, die bei einer Fastenkur ausgespült werden müssten. Die Abfallprodukte, die bei unserem Stoffwechsel anfallen, werden zuverlässig in Leber und Niere abgebaut und über Darm, Niere und Haut ausgeschieden. Wir benötigen also keine "Fastenkur" zur vermeintlichen Entgiftung. Im Gegenteil, die Schadstoffwerte des Blutes können während des Fastens sogar ansteigen. Dies lässt sich laut Wissenschaftlern damit erklären, dass Fettpolster nicht nur als Energiereserven und Kältepuffer dienen, sondern auch Zwischenlager für fettlösliche Gifte darstellen.

Das ganze Gerede von einer nötigen Entgiftung und Entschlackung ist also Quatsch.

Wir wollen hier aber natürlich nicht unterschlagen, dass Fasten auch positive Effekte haben kann, die legitimerweise als Argumente für das Fasten angeführt werden können. So soll der Nahrungsverzicht beispielsweise bei entzündlichen Erkrankungen wie Neurodermitis und Rheuma positive Wirkung haben. Zudem könne die Immunleistung des Darms verbessert werden.  Wer sich damit genauer befassen will, dem sei dieser Artikel ans Herz gelegt.
Darüber hinaus werden auch die pädagogischen und psychologischen Auswirkungen angeführt. Man macht neue Erfahrungen, man merkt, dass die eigene Willenskraft stärker ist als das Hungergefühl und die Verlockung durch Genussmittel.
Eine Fastenkur und die Erfahrungen, die man dabei sammelt, könnten außerdem als Anlass genommen werden, zukünftig (gesundheits-)bewusster zu leben und zu konsumieren.

 Fastentee?

Fazit?
Niemand muss entschlacken oder entgiften, das macht unser Körper ganz von selbst und er ist ziemlich gut darin!
Wir sollten uns auf unsere Vernunft verlassen, uns mit den aktuellen Erkenntnissen der Medizin auseinandersetzen und aufpassen, dass wir nicht irgendwelchen Mythen und mittelalterlichen Vorstellungen von unserem Körper auf den Leim gehen.
Viele Menschen sind heute zu ängstlich, zu unsicher und zu hysterisch, was ihre Gesundheit angeht. Und damit machen diverse Personen ein ziemlich gutes Geschäft - Anbieter von Fasenprogrammen oder Produkten rund ums Fasten zum Beispiel.
Wenn ihr euch dennoch für das Fasten interessiert, aus welchen Gründen auch immer, solltet ihr euch auf jeden Fall vorher gut informieren. Es gibt eine Reihe von Dingen, die gegen das Fasten sprechen, insbesondere Krankheiten. Zudem kann Fasten beispielsweise die Wirksamkeit der Pille herabsetzen.
Wenn ihr eine richtige Fastenkur plant (also nicht nur eine längere Abstinenz, s.o.), solltet ihr am besten einen Arzt einbeziehen.











*Achtung: Das ist nicht meine Meinung - ich zitiere hier eine Seite, die ich für höchst unseriös und unwissenschaftlich halte. Aber wie sagt man so schön: Man muss seinen Gegner kennen ;-)


Quellen:
http://de.wikipedia.org/wiki/Heilfasten
http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/aschermittwoch-fasten-statt-futtern/11386648.html
http://www.duden.de/rechtschreibung/Schlacke
http://www.zeit.de/2004/19/Stimmts_Entschlackung
http://de.wikipedia.org/wiki/Entschlackung
http://www.pta-aktuell.de/praxis/news/8949-Ende-eines-Mythos/
http://www.spiegel.de/gesundheit/ernaehrung/diaet-zum-entschlacken-kann-der-gesundheit-schaden-a-836023.html

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3 Kommentare

  1. Ich muss gestehen, dass ich bei dem Thema nicht sonderlich gut auskannte, da es nie wirklich zur Debatte stand für mich. Aber deine Infos sind wirklich sehr informativ!
    Liebe Grüße, Mona

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  2. toller Post :) danke für die vielen neuen
    Informationen <3

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  3. Toller post, ich hätte letztens auch fast gefastet und beim recherchieren von ich dann darauf gestoßen wie stressig das die den Körper ist! Nee danke, dann sich lieber insgesamt gesund ernähren...

    Liebst, Solenja♥

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